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To Love a Cat

Luba Goldberg

 

Update: Ali hat mich nun aus seiner Freundesliste bei Facebook gelöscht. Wieso? WIESO?

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Über die Autorin

Luba Goldberg lebt in Düsseldorf und ist Chefredakteurin bei DIESE KREISE. Sie hat mit ihrer Redaktion neunzehn Arbeitsplätze geschaffen und muss sich oft Mühe geben, bei dem ganzen Chaos den klaren Kopf zu behalten. Sie liebt ihren Kater bis zum geht nicht mehr.

Valentinstag Teil 1: das Ufo im Kö-Bogen

Lubas Kuss auf einem Briefumschlag
Scan: Karsten Sado

Freitag den 14.02

Am Valentinstag habe ich den ganzen Tag im Bett verbracht, natürlich nicht allein, aber ich sag nicht, mit wem, (Wieder der Buchhalter? – Chefr. ) und bin erst aufgestanden, als es fast zu spät war, zu der Ausstellungseröffnung im Kö-Bogen zu gehen, wo ich als Teilnehmerin eingeladen war – so gegen acht. Meine Aufgabe bestand darin, einen Ufo zu finden und durch den Hintereingang reinzukommen. Ich sollte ein Teil der Ufo Crew werden, wie der Künstler es formuliert hat. Er wollte unbedingt eine eigene Reporterin in seinem Ufo-Projekt haben, die von innen berichten würde.

DSC05816Und obwohl ich noch nicht mal in der Ausbildung zu einer Reporterin bin, hab ich trotzdem ein Kimono übergeworfen, die Lippen rot geschminkt, die Füße in meine hellbeigen Schneeboots gesteckt und bin mit der Straßenbahn zum Kö-Bogen gefahren.

Es hat geregnet und ich hatte meinen roten Regenschirm mit. Auf diese Weise fühlte ich mich ganz wie eine Geisha. Eine blonde, mit Pony, und das ist sehr selten. Ich habe die Blicke der Menschen in der Straßenbahn auf mir gespürt. Ich wusste aber nicht, ob sie mich ansehen, weil ich so hübsch bin, oder weil irgendwas nicht stimmt. Um Spannung abzubauen, habe ich schnell ein Selfie mit der Handykamera gemacht und es bei Facebook gepostet. Aber leider hat es nicht geholfen.

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Stoffmuster von Lubas Kimono

Darum wollte ich so schnell wie möglich in diesem Ufo drin sein, mich dort verstecken und mit dem Rosé Schaumwein betrinken, den ich in meiner roten Geisha-Handtasche hatte (ich wusste, im Ufo gibt es von den Getränken nur Bier, und den trinke ich nicht so gern, schlechte Erinnerungen).

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Tanja Ritterbex versucht, unter das Ufo drunterzuklettern
Foto: Judith Kisner

Draussen. Das Ufo sah aus wie ein gigantischer indianischer Wigwam mit einem Eisentor vorn. Es stellte sich heraus, dass es gar keinen Hintereingang gab, den mir Ali Altin versprochen hat. Ich dachte, die „Aliens“ waren zu faul, um ihn zu bauen.

Vor dem einzigen Eingang stand eine lange dünne Kreatur, die sehr einer Gottesanbeterin ähnelte und schrie wie Marcel Rösche am Montag. Der übrigens auch in der Nähe stand, zusammen mit Jasmin. Sie haben sich anscheinend schon wieder vertragen und haben mich irgendwie so komisch angegrinst. Sie hatten bestimmt schon was von der Verpflegung intus.

Keine Ahnung, woher die Gottesanbeterin herausgekrochen war, aber auf jeden Fall wollte sie mich nicht reinlassen. Sie hat nur noch laut geschrienen, dass sie mich viel lieber hier draußen behalten will, wo sie mich sieht. Dann fing sie an, zu grapschen. Wahrscheinlich dachte sie, dass am Valentinstag alles erlaubt ist.

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Die Schlange vor dem Ufo. Links im Bild: Jasmin und Marcel kunstgefluester.blogspot.de 

Eine Schlange Besucher atmete in meinen Rücken und starrte mich an, bis sich endlich ein bekanntes Gesicht in der Tür zeigte – Oliver Blumek. Ich war so naiv, dass ich geglaubt hab, er lässt mich rein. Stattdessen hat er mich angesehen wie eine Fremde und mit der neongelben Farbe besprüht. Dann ist er wieder im Häuschen verschwunden. Hoffentlich übernimmt die Redaktion die Reinigung. Von Oliver kann ich darauf lange warten.

Dann habe ich alle angerufen, von denen ich dachte, dass sie drin sein könnten. Die Nummern hatte ich von der Redaktion. Keiner ist rangegangen. Ich dachte schon, dass ich es nie schaffe, in das Ding reinzukommen, und werde vom Magazin gefeuert. (Definitiv – Chefr. ) Das hieße für mich – wieder zu Onkel Oleg zurück. Das durfte auf keinen Fall passieren.

DSC05888In meiner Verzweiflung bin ich in einen Hinterraum gegangen, wo die Bauarbeiter ihre Sachen abgelegt haben (leider waren sie nicht da, um mich zu trösten). Da konnte ich endlich meinen Rosé aufmachen und ein bisschen ausruhen. Wie nett von den Bauarbeitern, dass sie die Tür offen gelassen haben. Nicht so wie einige Anderen. Nach ungefähr zwanzig Minuten war ich wieder soweit. Aber leider hat sich bei dem Eingang nichts verändert. Die blöde schreiende Gottesanbeterin war immer noch da, und hat jetzt auch noch gefilmt.

Als ich fast schon nach Hause gehen wollte, kam Fleur heraus und rettete mich vom klebrigen Türsteher. Er fing schon an, seine Zunge nach mir auszustrecken und mir seine Nippel zu zeigen. Ich hatte das Gefühl, dass er mich gleich auffrisst und bestimmt hatte ich damit nicht Unrecht. Man kennt ja so Sachen von den Gottesanbeterinnen. Aber ich habe den Kampf gewonnen und ich wusste, dass ich bei dem Magazin erstmal bleiben darf.

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Judische Valentinskarte
Copyright Leonid Abramov

Drin roch es nach gehacktem Holz und Eisen und es war laut von Stimmen der Außerirdischen und Musik, die scheinbar aus den Innenwänden kamen. Es war ein runder Raum in der Mitte, mit zwei Türöffnungen, und Doppelwänden, hinter denen sich irgendwelche sonderbaren Gestalten versteckten. Eine davon filmte die Geschehnisse im runden Raum durch ein kleines Loch. Ich habe durch ein anderes kleines Loch geguckt: es wurden Menschen aus der Schlange draußen in den verdunkelten runden Raum hereingelassen, mal einzeln, mal paarweise, und jeder Besucher wurde individuell unterhalten und bedient.

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Ein echter Ayyildiz

Es geschahen unaussprechliche Dinge. Wirklich, ich kann sie nicht beschreiben. Wäre ich eine Reporterin, dann vielleicht. (Soweit kommt’s noch! – Chefr. ) Aber ich bin nur eine Praktikantin mit einer dunklen Vergangenheit und einer traumatisierten Psyche. Eins kann ich sagen, manche Gäste sind nie wieder herausgekommen. Sie wurden entweder von den sonderbaren Gestalten absorbiert oder zu ihren Haustieren umgewandelt. Die anderen konnten sich befreien, standen aber unter Schock. Das ist der Grund, warum es in der Presse nichts darüber gibt. Ich bin die Einzige, die relativ heil da rausgekommen ist. So gesehen ist das eine Exklusivreportage. (Ha! – Chefr. )

Als ich meinen Mantel abgelegt habe, hat mir Rebekka gesagt „Luba, dein Busen ist aber riesig!“

„Fällt dir das erst jetzt auf?“ fragte ich sie. Ich dachte nämlich, der wäre nicht zu übersehen.

„Ja, wenn du dieses Kleid trägst, sieht man den richtig. Ich hatte auch mal größere Brüste, als ich dicker war. Aber dann habe ich voll abgenommen und sie wurden kleiner.“

„Was hast du denn jetzt für eine Körbchengröße?“

„B und du?

„C, aber die sehen nach mehr aus, weil sie so weit voneinander entfernt sind.“

„Ach so… Ich war auch mal viel dünner als jetzt, und dann hatte ich A, aber jetzt habe ich wieder zugenommen und habe B.“

Ein anderes Mädchen saß daneben. Ihre Brüste sahen kleiner aus, als bei Rebekka, aber sie meinte sie hätte auch B. Vielleicht gibt es verschiedene Bs, vielleicht aber sah es so aus, weil ihre Brüste so nah zueinander standen.

Die Gottesanbeterin war inzwischen auch drin und hat versucht, mich zu verschlingen, aber ich konnte ihr entkommen.

Der Künstler schlug vor, dass wenn der nächste Gast da ist, und das Licht angeht, wir uns küssen sollen, wie Romeo und Julia. Das war so typisch, die Kunst zu nutzen, um mir näher zu kommen. Ich hatte langsam das Gefühl, dass er mich nur deshalb einlud. Aber das Licht ging zum Glück nicht an. Also bin ich schnell wieder hinter der Doppelwand verschwunden und hab mich hinter das Guckloch drangeklebt.

Die sonderbaren Gestalten haben sich zu siebent an dem Wandkreis entlang platziert, und als das Licht anging, auf die zwei Besucher mit dem Finger gezeigt und geschrien „Du!“, damit er gefälligst Bescheid weiss. Die Reaktion war ein Schrecken und verlegene Lächeln.

Ein anderer Gast wurde in eine lange und intensive kollektive Umarmung geschlossen, und mit der Zeit absorbiert. Er kam also nicht mehr zurück. Jedenfalls nicht so, wie er reingekommen war.

Irgendwann wollte ich schauen, was es sonst auf der Ausstellung gab. Sie war sehr groß und hieß „Blended Generations“. Das stand dafür, dass die Künstler aus verschiedenen Generationen daran teilnahmen. (Die Redaktion findet die Idee sehr demokratisch und nickt billigend zu. – Chefr. )

Was die Kunst angeht, erinnere ich mich an nichts. Es waren nur Leute, an die ich mich erinnere. (Lubas Gedächnis ist wegen den traumatischen Störungen ihres Lebens sehr wählerisch – Chefr. )

Unter anderem habe ich ein Mädchen getroffen, mit dem ich vor acht Jahren was hatte, noch bevor sie im O-Bereich angefangen hatte. Das Mädchen war wie eine Empfangsdame eines mittleren Bauunternehmens gekleidet und roch nach Chanel #5. Nicht wie eine Künstlerin, der es demonstrativ egal ist, wie sie aussieht, weil sie „andere Prioritäten“ hat und die sich selbst die Haare schneidet. Ihre Haare waren in einem engen Dutt und ihre Wimpern waren perfekt getuscht. Sie sagte, sie hätte an unsere Affäre die schönsten Erinnerungen und schaute auf meinen Busen. Der ältere Herr neben ihr grinste irgendwie versaut. Seine Haut war rot und glänzte im Neonlicht. Also habe ich versprochen, mich bei ihr zu melden. Ich dachte auch, dass ich sie bestimmt nochmal auf dem Rundgang sehe.

Ich traf auch Magdalena Kita, die mir erzählte, dass sie seit zwei Jahren keinen Alkohol mehr trinkt. Dann sagte sie irgendwas übers Ficken. Sie hatte einen interessanten Akzent. Beim „Ficken“ betonte sie „i“ und „e“ gleich stark. Zum letzten Mal fickte sie heute – mit ihrem Freund. Wer ihr Freund war, habe ich vergessen, zu fragen. Aber sie hat nicht vergessen, mir den Flyer zu ihrer Ausstellung zu geben.

Es dauerte nicht mehr lange, bis alles vorbei war und ich mich drei neuen Bekannten anschloss, um in die Akademie zu gehen. Dort gab es an diesem Abend nämlich gleich zwei große Partys – die eine von der Klasse Odenbach, und die andere von der Klasse Williams. Darüber mehr im Valentinstag Teil 2.

LubaLuba, unsere Praktikantin, haben wir aus den Händen eines Monsters gerissen, bei dem sie immer schweigen musste, was immer auch passierte. Jetzt lernt sie bei uns einen anständigen Beruf und hofft auf eine bessere Zukunft. Manchmal berichtet sie über ihre Erlebnisse mit Düsseldorfer Künstlern, die sie als Mittel zu Ruhm und Reichtum betrachten, aber manchmal auch über die anderen.